1421 – Die Supermacht China - Die Erforschung der Welt

09.03.2016 00:00

Wir lernten in der Schule, wie die Europäer die Welt entdeckten und wir glaubten, wir waren die Ersten. Völlig falsch!

 

Am 2. Februar 1421 stellte China jedes andere Land der Erde in den Schatten. An jenem chinesischen Neujahrstag versammelten sich Könige und Abgesandte aus allen Teilen Asiens, Arabiens, Afrikas und Indiens inmitten der Pracht Pekings, um dem Kaiser Zhu Di, dem Sohn des Himmels, ihre Ehrerbietung zu erweisen.

 

Zhu Di hatte Peking zur neuen Hauptstadt gemacht. Zehntausende Haushalte waren zwangsumgesiedelt worden, hunderttausende Arbeiter waren gezwungen worden, den Marsch nach Norden anzutreten, 335 Divisionen der Chinesischen Armee waren nach Peking verlegt worden. Um das Bauholz für Zhu Dis gigantische Pläne zu beschaffen, wurden die Hartholzbestände in Chinas Wäldern geplündert, hunderttausende wenn nicht eine Million Quadratkilometer Wälder waren in Südostasien abgeholzt worden. Ein einziges Schatzschiff der riesigen kaiserlichen Flotte verbrauchte mehr als einen Quadratkilometer Teakwaldes.

 

Aus allen Teilen des chinesischen Kaiserreiches waren Künstler, Soldaten und Arbeiter zusammen geholt worden. Eine Million Menschen hatte an der Verbotenen Stadt gebaut. Eine Million Soldaten bewachte sie. Alle Herrscher, die die Oberhoheit des Kaisers anerkannten, wurden mit Titeln, dem kaiserlichen Schutz und mit Handelsmissionen belohnt.

 

Nach einem Monat verschwenderischer Gastlichkeit wurden die Gäste am 3. März 1421 verabschiedet. Eine Armada bestehend aus vier den größten kaiserlichen Flotten unter Admiral Zheng He sollte die Gesandtschaften zuerst in ihre Heimatländer zurück bringen und anschließend bis an die Enden der Welt weiterfahren, um auch von den Barbaren jenseits der Meere Tribut zu erheben.

bildquelle: fineartamerica.com

 

Mehr als 100 gigantische Schatzschiffe lichteten im Morgengrauen des 6. März ihre Anker, Monster mit einer Länge von 142 Meter, 55 Meter breit, mit neun Masten. Begleitet wurden sie von einer Schar kleinerer Handelsdschunken sowie von Geschwadern schneller, wendiger Kriegsschiffe. 30.000 Menschen machten sich auf den Weg…..

 

Es war in der Nacht des 9. Mai 1421, zwei Monate später, als ein heftiges Gewitter über der Verbotenen Stadt niederging. Diese Nacht war eine fatale Zäsur nicht nur in der Geschichte Chinas sondern der ganzen Welt. Es hätte ansonsten alles ganz anders kommen können. Ein Blitz traf das Dach des Kaiserlichen Palastes. Feuerbälle schienen den Kaiserlichen Weg durch die Mittelachse der Stadt entlang zu rollen. Der Thron des Kaisers brannte zu Asche nieder. Der in den Tempel geflohene Kaiser betete mit großer Inbrunst: „Der Gott es Himmels ist zornig auf mich…..“ Es schien, als ob die Götter die Ablöse des Kaisers forderten. Unruhen brachen aus, der Kaiser hatte mehrere Schlaganfälle erlitten und wurde durch die Behandlung mit einem arsen- und quecksilberhaltigen Elixier wohl langsam vergiftet….

 

Ohne etwas von diesem Desaster zu ahnen, segelte die große Armada auf die Meere hinaus. Der Monsunwind trieb sie nach Süden, die erste Station war Malakka. Sie durchquerten den Indischen Ozean, umfuhren das Kap der Guten Hoffnung und anschließend nach Norden, wurden von der Strömung weiter über den Atlantik an die südamerikanische Ostküste getragen, entlang der sie wieder nach Süden segelten, die Magellanstraße bei widrigsten Verhältnissen durchfuhren, entlang der antarktischen Packeisgrenze von den roaring forties getrieben wurden, Australien entdeckten und dort sogar Bergbau begannen. Zuletzt segelte Unteradmiral Zhou Man mit einer der Flotten Richtung Osten an die kanadische Westküste, entlang Kalifornien nach Süden. Von der Mannschaft einer im Sacramento River aufgelaufenen Dschunke wurde eine Kolonie gegründet, die bis ins 19. Jahrhunderte Bestand hatte und deren Bewohner sich auch mit Einheimischen vermischten und vieles der chinesische Kultur übernommen. Sie trafen auf die bereits im Niedergang befindliche Zivilisation der Mayas in Mexiko…..

 

Als die Reste der großen Schatzflotte im Oktober 1423 heimkehrten, hatten Zheng Hes Männer keine Ahnung von den dramatischen Ereignissen, die sich zwischenzeitlich in ihrer Heimat angebahnt hatten. Sie hatten sicher erwartet, als Helden begrüßt zu werden. Sie hatten unzählige unbekannte Länder entdeckt und unglaubliche Fortschritte in der Navigation gemacht. Aber statt dessen wurden sie mit Verachtung gestraft. 1644, als sich China in völlige Isolation zurück gezogen hatte, wurde alles vernichtet und zerstört, was an wissenschaftlichen Schätze und technischem Wissen vorhanden war: die Konstruktionspläne der großen Schiffe, Zheng Hes Reiseberichte, alles, was die Schiffe 1423 nach Hause gebracht hatten. Das unschätzbare Erbe der größten Entdeckungsfahrten aller Zeiten war für immer verloren. Sie wurden aus dem Gedächnis Chinas gestrichen. Die in Afrika, Australien, Nord- und Südamerika gegründeten Kolonien wurden aufgegeben oder ihrem Schicksal überlassen….

 

Aus „1421 – Als China die Welt entdeckte“ von Gavin Menzies, Knaur Verlag, ISBN 3-426-77766-5