Anstieg des Meeresspiegels doppelt so hoch

01.04.2016 00:00

  Bildquelle: derstandard.at
 

Leider kein Aprilscherz :(

Falls sich am Ausstoß von Klimagasen nichts ändert, wird der Meeresspiegel bis 2100 rapide ansteigen. Der Weltklimarat veranschlagt für dieses Szenario einen Meter plus - ein neues Modell korrigiert diesen Wert: Der Anstieg wäre zwei Mal so hoch.

Die Computermodelle der Klimaforscher beschreiben das Verhalten der Atmosphäre recht akkurat, aber die Ozeane bereiten noch immer Probleme. Das gilt vor allem für das Wechselspiel mit all dem Eis, das auf Grönland und dem Antarktischen Kontinent lagert - und im Fall weiter steigender Temperaturen zu schmelzen droht.

"Während der letzten Zwischeneiszeit war der Meeresspiegel bedeutend höher als er heute ist. Das konnten wir mit unseren Simulationen bis vor Kurzem nicht erklären", sagt David Pollard von der Pennsylvania State University gegenüber science.ORF.at.

Vor rund 300.000 Jahren lag der Meeresspiegel sechs bis neun Meter über dem heutigen Niveau. Im Pliozän - vor etwa drei Millionen Jahren - lag er sogar zehn bis 20 Meter höher. "Solche Werte", so Pollard, "können nur dann entstehen, wenn ein Teil der Antarktischen Eiskappe kollabiert." Der Schluss daraus: Die Forscher müssen in ihren Modellen mindestens einen wichtigen Faktor übersehen haben.

Wie Eiskappen kollabieren

Bisher ging man davon aus, dass sich das Landeis Antarktis bei höheren Temperaturen immer schneller in Richtung Ozean bewegt, weil ihm die eisigen Stützpfeiler vor der Küste zusehends abhanden kommen. Das trifft auch zu - doch das ist nicht der einzige Mechanismus, der den mächtigen Eisreserven ihre Substanz raubt.

Wie Pollard mit seinem Kollegen Robert DeConto im Fachblatt "Nature" schreibt, muss man auch Vorgänge berücksichtigen, wie sie etwa in den letzten Jahren am Larsen-B-Schelfeis an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel zu beobachten waren. Dort haben Regenfälle und sich erweiternde Spalten die ehemals intakte Eisdecke weitgehend aufgelöst.

Ebenfalls unterschätzt wurde die Art und Weise, wie das Landeis in Richtung Wasser wandert: Ist das Tempo hoch, türmt es sich an der Küste auf. Ab einer gewissen Höhe brechen solche Klippen unter ihrem Eigengewicht zusammen - und landen im Meer. Fazit: Das Eis, sei es an Land oder im Wasser, ist nicht so robust wie gedacht. Gerät das System einmal aus seinem Gleichgewicht, gibt es kein Halten mehr.

Ähnliches dürfte sich auch in der letzten Zwischeneiszeit sowie im Pliozän zugetragen haben, denn mit dem neuen Modell können die Forscher das extrem hohe Meeresniveau aus Urzeiten nun erstmals nachvollziehen.

Szenarien bis 2100: Alles möglich

Eine Simulation, die die Vergangenheit zu beschrieben vermag, lässt sich auch in die Zukunft projizieren. Genau das haben Pollard und DeConto auch getan: Ihren Berechnungen zufolge könnte der Meeresspiegel bis 2100 um zwei Meter steigen, sofern die Staatengemeinschaft unvermindert Treibhausgase in die Atmosphäre bläst.

Das ist ungefähr das Doppelte dessen, was der Weltklimarat IPCC in seinem letzten Sachstandbericht für das Business-as-usual-Szenario (technischer Name: "RCP 8.5") veranschlagt. Bis 2500 wäre laut Pollard und DeConto sogar ein Plus von 15 Metern möglich.

Die beiden Forscher haben ihr Modell auch mit optimistischeren Annahmen gefüttert. Sollte die globale Temperatur bis 2100 nicht mehr als zwei Grad steigen ("RCP 2.6"), würde das Schmelzwasser der Antarktis den Meeresspiegel kaum, nämlich nur um Zentimeter anheben. "Dieses Ergebnis stimmt mich optimistisch", sagt Pollard. "Aber natürlich ist klar: Um dorthin zu gelangen, müssten wir die Emissionen von Treibhausgasen drastisch kürzen."

Robert Czepel, science.ORF.at